Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Produktionsinformationen – aus dem offiziellen Presseheft

Jakobs Motto „Es sind die Träume, die die Welt verändern”, ist auch das Motto des Films.
In aller Düsternis der geschilderten Zeit gewinnen wir mit Jakob und Jettchen den heiteren Blick zurück:
Jakob, „der Hunsrücker Indianer” ist eine zarte Komödienfigur, die der Erzählung ihre Poesie ermöglicht.

Und: Wir sollten nie vergessen, dass Deutschland vor nicht langer Zeit ein Auswanderungsland gewesen ist,
ärmer noch und hoffnungsloser, als viele Länder, aus denen die heutigen Migranten kommen, die unsere Straßen bevölkern.

Edgar Reitz


Im Vorfeld der morgigen Pressekonferenz (11. April 2012) wurde von der Concorde Film bereits eine Produktionsinformation veröffentlicht. Hier einige Informationen aus diesem Heft. Bitte beachten Sie: Alle auf dieser Seite zu findenden Informationen und Bilder unterliegen dem Copyright der Edgar Reitz Filmproduktion. Sie werden auf dieser Seite (ebenso wie auf www.die-andere-heimat.de) zu Ihrer Information zitiert. Jegliche weitere Verwendung bedarf der Zustimmung der Edgar Reitz Filmproduktion.

Anhand der folgenden Informationen wird deutlich, mit welchen Methoden und welcher Akribie Edgar Reitz und sein Team versuchen, 150 Jahre zurückliegende Ereignisse authentisch darzustellen. Reitz bleibt seinem Konzept, Geschichte aus der Sicht der “kleinen Leute” zu erzählen, treu. Wünschen wir ihm alle viel Erfolg mit diesem Projekt!

Nach der morgigen Pressekonferenz werde ich hier weitere Bilder, insbesondere vom Set in Gehlweiler, veröffentlichen können.


Kurzinhalt

Vor dem Hintergrund des ländlichen Deutschland Mitte des 19ten Jahrhunderts, als ganze Dörfer getrieben von Hungersnot und Armut ins ferne Südamerika emigrierten, erzählt Edgar Reitz in seinem neuen Kinofilm DIE ANDERE HEIMAT eine bewegende Familien- und Liebesgeschichte. In ihrem Zentrum stehen zwei Brüder, die eines Tages vor der alles entscheidenden Frage stehen: Gehen oder bleiben?

Jakob, ein für einen Bauernjungen ungewöhnlich romantisch veranlagter Charakter, träumt sich in eine bessere Welt, in ein Paradies in den Urwäldern Brasiliens. Er schmiedet Pläne, mit seiner großen Liebe, der Tochter einer Edelsteinschleiferfamilie aus seinem Dorf, auszuwandern, unter seltsamen Fremdlingen zu leben, ihre Sprache zu erlernen und große Abenteuer zu erleben.

Die Rückkehr seines Bruders Gustav aus dem preußischen Militärdienst gibt den Anstoß zu Ereignissen, die die Liebe zwischen Jakob und Jettchen erschüttern und Jakobs Leben in eine völlig andere Richtung lenken werden.

In einprägsamen Zeitbildern vom Auszug der Hunsrückbauern in endlosen Kolonnen hochbeladener Pferde-Fuhrwerke, die sich durch die Täler des Hunsrück ziehen, wird hier von einer Epoche erzählt, in der Deutschland ein Auswanderungsland war und die Menschen auf der Suche nach einer anderen Heimat all ihren Mut und ihren Glauben an die Zukunft zusammenrafften, um ins Unbekannte aufzubrechen.

Gedreht an Originalschauplätzen im Hunsrück und unterstützt von der regionalen Bevölkerung folgt der Film dem Geist der weltberühmt gewordenen HEIMAT TRILOGIE und eröffnet ein filmisches Panorama, das mit größtmöglicher Authentizität den einfachen Leuten und ihren Geschichten folgt.


Das Ausstattungskonzept

Die Verbindung von Landschaft und Handlung ist von besonderer Bedeutung. Das Leben der Menschen wird von Naturkräften bestimmt: Gegenüber Jahreszeiten, Wetter, Stürmen, Kälteeinbrüchen, Dürren oder Seuchen sind die Menschen fast hilflos. Ihre Häuser, die Dorfgemeinschaft und die Staatsmächte bieten kaum Schutz.

Um diesen Hintergrund darzustellen, wurde das Filmdorf in das bestehende Dorf Gehlweiler integriert. Nach umfangreichen Motivsuchen und Recherchen in der Hunsrück-Region wurden weitere Drehorte ausfindig gemacht, die es erlauben, das Konzept einer Einheit von Landschaft, Dorf und Geschichte zu realisieren. Selbstverständlich ist es in keinem einzigen Fall möglich, vorgefundene Motive unverändert zu nutzen. Viel zu viele Details haben sich in den fast 200 Jahren seit der Zeit der Auswanderungen verändert.

Maßnahmen, die deshalb erforderlich waren, umfassten die Entfernung von Elektroleitungen, Installationen, Asphaltbelägen, den Abbau von Fassadenbeschichtungen, die Patinierung von Oberflächen, den Austausch industrieller Glasscheiben, die Reduzierung der Farbigkeit, Bepflanzungen ohne importierte Zierpflanzen und die Freilegung von Fachwerkfüllungen. Ergänzend wurde der Bau von ganzen Fassaden oder Fassadenteilen notwendig.

Das aus dem HEIMAT-ZYKLUS bekannte „Haus Simon“ mit Stall, Scheune und Schmiede befindet sich in der Mitte des Hunsrückdorfs Gehlweiler, das zum Zentrum des Filmschauplatzes geworden ist. Unser Bauteam hat den Ort in monatelanger Arbeit mit einer gründlichen, historisch angepassten Detailausstattung versehen. Dabei wurden die Außen- als auch die Innenmotive am Originalschauplatz realisiert, so dass ganze Sequenzabläufe von innen nach außen wie Hof, Scheune, Schmiede und Dorfstraße bis auf die benachbarten Häuser und Felder in einem einzigen Zusammenhang bespielt werden können.

Das gesamte Dorfleben lässt sich so in einem 360 Grad-Motiv inszenieren. Der Asphalt-Belag und die Gehsteige der Dorfstraße von Gehlweiler wurden entfernt und durch Schotter- und Lehmbelag ersetzt. Die Einwohner der Gemeinde Gehlweiler haben sich einstimmig hinter die notwendigen Baumaßnahmen gestellt und unterstützen das Projekt trotz großer Beeinträchtigungen ihres täglichen Lebens mit größtem Engagement.

Die vollkommen andere Form der Landwirtschaft im 19. Jahrhundert erforderte schon im Jahr vor den Dreharbeiten die Anlage von kleineren Feldern und Aufteilungen der Bepflanzung mit Feldfrüchten, die damals üblich waren, insbesondere Getreide und Flachs. Zu diesem Zweck wurden überschaubare, besonders geschützt gelegene Täler und Hügellandschaften gesucht, die mit Hilfe ansässiger Landwirte in Handarbeit bepflanzt wurden.

Die Innenausstattung der Motive erforderte besondere Sorgfalt, da die Regie die volle Nutzung der Requisiten, Werkzeuge, Feuerstätten, Brunnen, Küchen, Stallungen etc. vorsieht. Hierzu werden die historischen Bestände genutzt, die sich in Privatbesitz von Bauern und Hausbesitzern befinden. Die Ausstattung mit Großrequisiten wie Ackerwagen, Pflügen, Erntewerkzeugen, Pferdewagen, Kutschen, Brunnen und Möbeln wird, so weit das überhaupt möglich ist, mit Originalen erfolgen.

Das Training der Tiere erforderte ebenfalls ausreichend Vorbereitungszeit. Damals wurde mit Milchkühen gearbeitet, die von Jugend an trainiert wurden, einen Wagen zu ziehen oder zu Feldarbeiten herangezogen zu werden.


Das Besetzungskonzept

„Ensemble-Besetzung“
Bei einem Stoff, der von der Glaubwürdigkeit der geschilderten Verhältnisse lebt, muss die Physiognomie insgesamt stimmen. Deswegen wurde eine Ensemble-Besetzung angestrebt. Unabhängig davon, ob es sich um Profischauspieler oder Laiendarsteller aus der Region handelt, ist darauf geachtet worden, dass ein eindrucksvolles Gesamtbild entsteht. Jedes Gesicht dient als Teil eines Zeit- und Gesellschaftspanoramas.

Zuerst wurden die Laien-Darsteller gecastet. Sie kommen aus der Region und sind mit den Arbeiten vertraut, die im Film vorkommen: schwere Landarbeit, Erdbewegungen, Arbeit mit Tieren und Hausarbeit mit traditionellem Werkzeug, Handwerksarbeiten wie Schmieden, Weinbau, Edelsteinschleifen, Gerberei, Umgang mit Pferden, Wagen, Waffen, religiösen Übungen. Es gibt in der Region zahlreiche Amateurtheater-Gruppen, die als Talentschmieden gelten. Hier, aber auch unter interessierten Bauern und Handwerkern, Vereinsmitgliedern und Dorforiginalen wurde die Grund-Physiognomie des fiktiven Ortes der Handlung ermittelt. Dieses Ergebnis ist dann zum Maßstab für die Besetzung der zentralen Rollen mit Profi-Schauspielern geworden.

Die Besetzung der Protagonisten erforderte Darsteller, die den physischen und psychischen Zustand glaubhaft machen können.


Die Kostüme/Bekleidung

Die Bauern und Bewohner der Hunsrückdörfer waren im 19. Jahrhundert Selbstversorger. Da sie meist arm waren, haben sie auch ihre Bekleidung selbst angefertigt. Als Grundstoffe besaßen sie Schafwolle und Flachs zur Herstellung von Leinen, beides aus eigener Erzeugung. In den Wintermonaten wurde in allen Häusern gesponnen und gewebt, wobei das Weben Männersache war und das Spinnen von den Frauen besorgt wurde.

Ein Dorfbewohner besaß lebenslang ein einziges Sonntagsgewand. Das war ein vom Dorfschneider handgenähter Anzug aus Barchent, einer Stoffmischung aus Leinen und Wolle. Auch das leinene Sonntagsgewand der Frauen musste für das ganze Leben ausreichen. Dieses wurde den Trägern am Ende auch mit ins Grab gegeben. Für den Alltag gab es handgewebte Leinenkleidung, Hosen, Hemden, Arbeitsjacken, Schürzen, Kopftücher. Auch diese Kleidungsstücke besaß man nicht mehrfach. Sie wurden wochenlang getragen, bevor sie gewaschen wurden.

Unsere Kostümabteilung unter Leitung von Esther Amuser hat in monatelanger Arbeit Originalstoffe und Kleidung aus Hunsrücker Privatbeständen gesammelt und konnte den gesamten Bedarf an Kostümen für die Darsteller aus handgewebten Materialien anfertigen.

So konnten unsere Darsteller sich vor Drehbeginn an ihr Kostüm gewöhnen und lernen, sich darin zu bewegen. Die Ausstattung der Protagonisten mit authentischer Kleidung vermeidet jeglichen „Dekorationseffekt“ und jegliche Idylle.


Filmteam

Regie Edgar Reitz

Produzent Christian Reitz

Ko-Produzentin Margaret Menegoz

Drehbuch Edgar Reitz
Gert Heidenreich

Kamera Gernot Roll

Szenenbild und Ausstattung Toni Gerg

Kostüme Esther Amuser

Maske Nicole Stoewesand

Ton Marc Parisotto

Produktionsleitung Sylvia Binder

Herstellungsleitung Christian Reitz

Regieassistenz Nikolai Eberth

Persönliche Assistenz des Regisseurs Salome Kammer

Produktionskoordination Anna-Malike Eigl

Casting An Dorthe Braker
Nikolai Eberth

Casting Hunsrück Helma Hammen

Koproduktionsberatung Alfred Hürmer

Redaktion ARD Degeto Roman Klink

Mentor und Schirmherr des Projekts Günter Rohrbach


Eine Produktion der ERF Edgar Reitz Filmproduktions GmbH in Koproduktion mit Les Films Du Losange
SARL, Paris sowie ARD Degeto, WDR/ARTE und BR.

Gefördert durch DFFF, ARTE GRAND ACCORD, EURIMAGES, FFF, CNC, FFA, CINE+, dem Beauftragten der
Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Land Rheinland-Pfalz, Ministerium für Wirtschaft und Kultur, und im
Weltvertrieb der ARRI MEDIA WORLDSALES München.

Im Verleih der CONCORDE-FILM

Drehzeit: 17. April bis August 2012
Drehorte: Gehlweiler / Hunsrück / Mosel
Format: Schwarz-Weiss/Farbe, Digital/35mm 1:2,4 Cinemascope