Am vorgestrigen Dienstag, 15.8., wurde im Edgar Reitz Filmhaus im Rahmen einer gut besuchten Vernissage die Ausstellung Augenblicke / Aufzeichnungen mit Tuschezeichnungen von Anja Verbeek von Loewis eröffnet, die 1989 beim Dreh der Episode Kennedys Kinder aus der Zweiten Heimat entstanden sind (zum Vorbericht mit weiteren Abbildungen eines Teils der Zeichnungen). Auch Film im Film im Film ihres Bruders Jan Verbeek wurde gezeigt, ein Kurzfilm, der ebenfalls bei den Dreharbeiten entstanden war und diese dokumentiert. Ein weiterer Höhepunkt des Abends war die “Momentmalerei-Performance” von Anja Verbeek von Loewis mit Live-Malerei und Live-Musik auf dem Fruchtmarkt. Viele aus dem begeisterten Publikum feierten abschließend noch lange mit den Künstlern in Raum 9.
Kristina Müller-Bongard, Leiterin des Hunsrück-Museums und federführend verantwortlich für die Ausstellung, bedankte sich in ihrer Eröffnungsansprache für die großartige Zusammenarbeit mit der Stadt Simmern und dem Pro-Winzkino. Als Ehrengäste begrüßte sie den Verbandsbürgermeister Michael Boos, Stadtbürgermeister Dr. Andreas Nikolay, die Erste Kreisbeigeordnete Rita Lanius-Heck und das Team der HEIMAT EUROPA Filmfestspiele. Müller-Bongard zeigte sich sehr erfreut über diese wundervolle und besondere Bereicherung der Aktivitäten im Filmhaus und stellte die beiden Künstler ausführlich vor. Mit Blick auf das weitere Programm des Abends erläuterte sie auch das Konzept der Momentmalerei: “In der von Anja Verbeek von Loewis entwickelten Momentmalerei-Performance wird das Publikum eingeladen, in den Prozess von sich ständig wandelnden Bilderwelten einzutauchen. In diesem audio-visuellen Gesamtkunstwerk mit Live-Malerei und Live-Musik wird der Prozess des Malens gefilmt und gleichzeitig großflächig projiziert.” Die Livemusik wurde gespielt von Ludger Bartels (Saxofon, Gitarre und Percussion) und dem Sohn der Künstlerin, Frederick Verbeek von Loewis (Klavier).
Kristina Müller-Bongard betonte, dass Verbeeks 1989 bei den Dreharbeiten von Die Zweite Heimat in München entstandenen Tuschezeichnungen in der Ausstellung Augenblicke / Aufzeichnungen nun erstmals öffentlich gezeigt werden. “Die Künstlerin hält Augenblicke fest, zeichnet sie mit dem Pinsel auf. Edgar Reitz sagte, dass er von der Art und Weise, der Schnelligkeit der Pinselführung und auch des Entstehens der Bilder beeindruckt war. Diese Faszination und Dynamik, die den Bildern innewohnt, bleibt auch nach 30 Jahren bestehen, die Bilder sind so atmosphärisch, dass man das Gefühlt hat, in die Szene einzutauchen.”
Jan Verbeek, dessen Videokunst vielfach ausgezeichnet wurde und auch Teil öffentlicher Sammlungen, z. B. des New York Museum of Modern Art ist, war als Komparse an den Dreharbeiten beteiligt, damals war er 23 Jahre alt. “Ich habe in dieser 1963 spielenden Szene in Kennedys Kinder einen Fotografen performt und Edgar Reitz gefragt, ob ich während der Drehpausen filmen darf, er hatte nichts dagegen, und die Chance habe ich genutzt.” Ein Bild der Ausstellung zeigt ihn in einer Drehpause die Linse seiner Kamera putzen. Die Single-8-Kamera, die Verbeek damals verwendete, ist ebenfalls Teil der Ausstellung im Filmhaus.
Anja Verbeek von Loewis erinnert sich an die eindrucksvolle Stimmung am Set, “auch diese Sensibilität jedem einzelnen gegenüber, trotz der vielen Menschen dort war Edgar Reitz immer für jeden präsent. Diese Verantwortung für das Ganze, der Focus, und gleichzeitig die Tiefe” habe sie fasziniert und beim Festhalten der Momente sehr inspiriert.
Sie drückte ihre Freude darüber aus, dass nun die Bilder endlich öffentlich gezeigt werden können. “Es war ja so, dass Edgar Reitz daran gedacht hatte, zu jedem Bild assoziativ noch etwas zu schreiben. Die Jahre vergingen, und so wurde es für Edgar Reitz immer schwieriger, dies selbst zu tun. Und so schrieb er mir: ‘Derjenige, der wirklich am allerbesten Bescheid weiß und dem ich vollkommen vertraue, das ist Herr Hönemann’, der die Zitate dann wunderbar ausgewählt hat, durch sie erhalten die Exponate noch einmal eine andere Ebene.”
Thomas Hönemann1 bedankte sich für die übertragene Aufgabe, die ihm viel Freude bereitet habe, und das in ihn gesetzte Vertrauen. “Sie werden es an den Zitaten sehen, es sind darin ganz verschiedene Ebenen berücksichtigt, da die Darstellungen auch auf ganz verschiedene Situationen eingehen. Es gibt Arbeitsbilder, Filmszenen und auch Portraits einzelner Rollen, und somit ist auch im Hinblick auf die Zitate eine ganz schöne Mischung entstanden, die Ihnen hoffentlich viel Freude bereitet und Sie anregt, sich an die Filme zu erinnern oder auch einen neuen Zugang zu den Filmen zu finden, das würde mich sehr freuen.”
Kristina Müller-Bongard wies auf das außergewöhnliche Zusammenspiel der verschiedenen Medien, nämlich Film, Bild und Text hin, und lud die Besucher und Besucherinnen ein, sich die Ausstellung unter dem Eindruck des eben gehörten anzusehen.
Mit Einbruch der Dunkelheit war auf dem Fruchtmarkt zur “Momentmalerei-Performance” geladen. Weit über 100 Zuschauer verfolgten gebannt die auf die große Leinwand projizierte Malerei von Anja Verbeek von Loewis in ihrem Entstehungsprozess, wobei sie zugleich Teil des Prozesses wurden. Malerei und Musik wirkten miteinander und inspirierten sich gegenseitig. Diese energetische Atmosphäre war auf dem Platz spürbar, und die Zuschauer bedankten sich abschließend bei den drei Künstlern mit standing ovations.
Zur Ausstellung ist auch ein umfangreicher Katalog erschienen, der Bilder aller Exponate samt Zitaten, Standbilder aus dem Film von Jan Verbeek und Informationen zu den Beteiligten enthält. Er kann im Hunsrück-Museum zum Preis von 10 € erworben werden. Falls Sie nicht die Möglichkeit haben, nach Simmern zu kommen, wird die Broschüre auf Wunsch gegen die zusätzliche Erstattung der Portokosten (innerhalb Deutschlands 1,60 €, EU 6,49 €) auch zugesandt, bitte wenden Sie sich bei Interesse an das Hunsrück-Museum (Telefon: 06761 837401, E-Mail: info@hunsrueck-museum.de).
Edgar Reitz und Salome Kammer hatten in Begleitung u. a. von Kristina Müller-Bongard, Dr. Andreas Nikolay und Wolfgang Stemann die Ausstellung bereits am Sonntagabend angesehen und zeigten sich ebenfalls begeistert von den Exponaten und zugeordneten Reitz-Zitaten.
Bilder vom Sonntag, 13.3, an dem Edgar Reitz die Ausstellung besuchte
Anmerkungen
1 Über mich selbst hier in der dritten Person zu schreiben fühlt sich etwas ungewöhnlich an, sodass ich mich ganz in meine Rolle als Berichterstatter begebe, um frei von inneren Konflikten zu bleiben.