Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Die Reise nach Wien (1973)

Edgar Reitz’ erster Film, der die große deutsche Geschichte thematisiert – zumal in einer gewagten Form: Eine Komödie über den zweiten Weltkrieg zu zeigen, war im Deutschland der frühen 1970er Jahre noch ein mehr als gewagtes Unterfangen. Die Reise nach Wien nimmt im Frühwerk von Edgar Reitz eine besondere Rolle im Hinblick auf sein opus magnum, die HEIMAT-Trilogie ein. Denn mit diesem Film etablierte Reitz bereits zwei Aspekte, die für HEIMAT charakteristisch werden sollten: Seine Heimat, der Hunsrück, als Drehort, und die Orientierung an der eigenen Familiengeschichte. Reitz erzählte anlässlich der Aufführung des restaurierten Frühwerks in Mainz 2012, wie ihn eine Postkarte aus Wien, die seine Mutter zu Kriegszeiten nach Hause gesandt hatte, zu dieser Geschichte inspirierte.

Gedreht wurde in Simmern, und auch der aus HEIMAT bekannte Tanzsaal in Mengerschied kommt bereits vor. In einer Nebenrolle (als begegnen wir Karl Windhäuser, Reitz’ Förderer in seiner Schulzeit am Simmerner Gymnasium.

Das Drehbuch schrieb Edgar Reitz zusammen mit Alexander Kluge, in der Regie assistierte ihm Alf Brustellin. Die Uraufführung fand am 26.9.1973 in den Post-Lichtspielen Simmern statt. 50 Jahre später wurde der Film im Rahmen der Reihe REITZreflexiv in Simmern umfassend gewürdigt (siehe Bericht).

Inhalt des Films

Deutschland im Frühjahr 1943. Nazizeit, Krieg.
Während die Männer an den verschiedenen Fronten in Hitlers Armee die Welt zu erobern versuchen, leben die Frauen zu Hause in einer Welt von Illusionen.

Auch Toni (Elke Sommer) und Marga (Hannelore Elsner), zwei hüb­sche junge Frauen, aus einem Städtchen im Rheinland, träumen die Träume der damaligen Frauenwelt: Kleider, Schönheit, Jugend, Sieg, “uns gehört die Welt” – aber “wir sind eine leichtverderbliche Ware, zum alsbaldigen Verzehr bestimmt”. Als ein Fest im Heimat­städtchen veranstaltet wird, zu Ehren eines jungen Fliegerhelden namens Rudi Schuster (Nicolas Brieger), fühlen Toni und Marga, dass ihre Stunde gekommen ist.

Sie, die sich vor dem Altwerden und vor der Geldentwertung fürch­ten, wollen nun das Leben in der Nähe junger Helden wie Rudi ge­nießen. Mit dem Geld, das ihre Männer vor dem Krieg verdient ha­ben, machen Toni und Marga sich deshalb auf zu einer Vergnügungs­reise nach Wien. Wien, so heißt es in Schlagern, in Filmen und im Großdeutschen Rundfunk, ist die Stadt, in der sich alle Träume der Frauen erfüllen.
Zur Zeit der Reise sind Hitlers Armeen schon auf dem großen Rück­zug. In Wien erleben Toni und Marga jetzt Enttäuschung nach Ent­täuschung. Sie verlieren ihr Geld an den Betrüger Molteanu (Ferdy Mayne). Junge Helden sind in ganz Wien nicht zu finden. Der selbst­geschneiderte Chic verpufft. Zwei ältere Offiziere, keine Helden, kümmern sich schließlich um die deprimierten Frauen, verbringen mit ihnen eine heiter-traurige Nacht; und während der eine an die Ostfront zurückkehrt, hilft der andere Toni und Marga, den Betrü­ger Molteanu zu fassen. Toni und Marga haben nichts anderes mehr im Sinn, als sich ihr Recht zu verschaffen. Sie rächen sich gleichzeitig an der Män­nerwelt, die ihr Vertrauen missbraucht hat. Aus Molteanus Woh­nung schleppen sie große Mengen von Wertsachen, Teppiche, Mö­bel, Porzellan, Silber usw. ab und transportieren diese Schätze in ihr Heimatstädtchen.

Als Marga nach der Rückkehr wegen einer “Schwarzschlachtung” ver­haftet werden soll, locken Toni und Marga den verantwortlichen Nazifunktionär Scheuermann (Mario Adorf) in eine Falle. Während Scheuermann in Tonis Bett noch an ein erotisches Abenteuer glaubt, schreit Marga die Nachbarschaft zusammen und behauptet, dass er To­ni vergewaltigt habe. So rächen sich die beiden Frauen auch an dem Mann im Ort, der sich als Stellvertreter der abwesenden Männer fühlte. Scheuermann wird vernichtet: Strafversetzt, stirbt er kurze Zeit später in den Wäldern Russlands. Toni aber erwartet von ihm ein Kind …

Am Ende sieht es fast so aus, als hätten Marga und Toni gelernt, sich ihrer Haut zu wehren. Aber während 1945 die Welt von damals zusammenbricht, droht auch die Freundschaft zwischen den beiden in die Brüche zu gehen. Doch dann rollen die ersten amerikanischen Panzer in das kleine Städtchen ein. Toni und Marga stehen am Straßenrand. Sie fühlen noch unbewusst, dass jetzt auch für sie eine ganz neue Zeit be­ginnt. Eine Zeit, die ihnen neue und vielleicht nicht weniger muntere Abenteuer bescheren kann …1

Szenenbilder

Die Reise nach Wien ist Bestandteil der 2009 erschienenen Edition Edgar Reitz – Das Frühwerk. Über jeden der Filme in dieser Edition ist als Extra ein Gespräch mit Prof. Thomas Koebner enthalten.

1 zitiert nach www.edgar-reitz.de.