Informationen rund um die HEIMAT-Trilogie von Edgar Reitz

Cardillac (1969)

Cardillac ist Edgar Reitz’ zweiter Langfilm. Der Film entstand nach Motiven aus E.T.A. Hoffmanns Novelle Das Fräulein von Scuderi. Reitz aber trans­poniert die Handlung in das West-Berlin des Jahres 1969 und behandelt am Bei­spiel Cardillacs die Probleme des mo­dernen Künstlers in der Gesellschaft. Der Regisseur hat jedoch nicht nur ein­fach eine blutrünstig-skurrile Geschichte erzählt: Er spiegelt die Hauptfigur in den Personen, die sie umgeben. Er variiert sein Thema in Nebenhandlungen. Er verfremdet das Geschehen durch eine Reihe virtuos gehandhabter Kunstmittel. So äußern sich zum Beispiel die Schau­spieler im Film über ihre Rollen, disku­tieren über ihre Auffassungen und über das Verhältnis der einzelnen Figuren zu Cardillac. Diese und andere Einschübe sind aber keine aufgesetzten Gags. Sie bleiben stets dramaturgisches Mittel.1

Die Geschichte der Entstehung des Films hat Edgar Reitz in Die zweite Heimat, Film 12, nacherzählt. Dort gerät das Filmteam und Rob und Stephan bei den Dreharbeiten in Berlin im Sinne der damaligen Zeit in einen ideologischen Diskussions- und Reflexionsprozess, der die Dreharbeiten massiv behindert, wobei letztlich die Kamera “für revolutionäre Zwecke” zweckentwendet wird. Bei Cardillac “entlieh” schließlich Ulrike Meinhof (!) schließlich die Kamera, um damit Bambule zu drehen, einen Film, für den sie das Drehbuch geschrieben hat und der die autoritären Methoden der Heimerziehung in einem Mädchenheim kritisiert (online hier anzusehen). Cardillac wurde erst später mit Hilfe nachgedrehter Szenen 1969 in München fertig gestellt.

Inhalt des Films

Der Goldschmied Rene Cardillac (Hans Christian Blech) lebt mit Madeion (Catana Cayetano), seiner Tochter aus einer ge­scheiterten Ehe mit einer Farbigen, in völliger Abgeschiedenheit. Er fertigt kostbare Schmuckstücke an, die er so liebt, dass er sich nicht von ihnen trennen kann. Wenn er dennoch ein Stück ver­kauft hat, dann überfällt er wenig später, von einer rätselhaften Leidenschaft ge­trieben, den Käufer, tötet ihn und holt den Schmuck zurück. Niemand verdäch­tigt den erfolgreichen Künstler. So lebt Cardillac als hochangesehener Bürger. Aber schließlich hat er sich derart in eine Welt von Träumen und Illusionen eingesponnen, dass er am Ende eine Lösung nur noch in einem bizarren Selbstmord sieht.1

Szenenbilder

Cardillac ist Bestandteil der 2009 erschienenen Edition Edgar Reitz – Das Frühwerk. Über jeden der Filme in dieser Edition ist als Extra ein Gespräch mit Prof. Thomas Koebner enthalten.

1 Quelle: edgar-reitz.de